Bericht von Samhathi Deutschland

Bericht vom Besuch von Elmar Weber (Vorsitzender von Samhathi Deutschland) und Dr. Dr. Edris Wedi (Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie in Offenbach/Deutschland) im November 2024

Nachdem unser Besuch erst nach fünf Jahren möglich wurde, war die Vorfreude wie auch die Herzlichkeit der Begrüßung durch die viele Mitarbeiter:innen sowie die Studentinnen besonders groß. Diese Wertschätzung zog sich wie ein roter Faden durch den gesamten Zeitraum. Father Jacob Paliath als Leiter und sein gesamtes Team standen uns immer für Gespräche und das umfangreiche Besuchsprogramm zur Verfügung. Jede der vielen gemeinsamen Mahlzeiten wurde so zu einem intensiven Erfahrungs- und Gedankenaustausch, zu einer Gelegenheit für Fragen und für die Entwicklung von neuen Projekten und Zukunftsplänen. Nach wie vor macht er sich viele Gedanken über die Programme, evaluiert diese gemeinsam mit seinem Team, mit Hilfe externer Experten und optimiert Dinge, probiert Neues und beendet Projekte, die sich – auch aufgrund äußerer Veränderungen – nicht mehr bewähren. Gerade arbeitet Father Jacob besonders am Erfolg der Deutschkurse, durch die immerhin schon 122 junge Leute zur Ausbildung nach Deutschland kamen.

My Indian Family

 Begleitet von Animary Augustine, der Leiterin aller Programme und der Samhathi Bank und ihrer Stellvertreterin Getta Kuttappan konnte ich an sechs Tagen insgesamt 32 Familien besuchen, die im Rahmen des MIF Programms unterstützt werden. Manche erhalten diese 15 Euro (plus einen Zuschlag von etwa 5 Euro aus überzähligen Einkünften im MIF-Programm) seit vielen Jahren, andere wurden erst im September aufgenommen. Es war für mich besonders rührend, an einer Verteilung der Gelder (in Scheckform, wie üblich für drei Monate auf einmal) an die Vertreter von über 280 Familien teilzunehmen. Abwesende bekamen das Geld in der Woche danach überbracht. Mich beeindruckte, welche Wertschätzung den Menschen entgegengebracht wurde. Es wurde kostenlos Tee, Kaffee und Imbisse gereicht. Im Schatten waren Sitzplätze bereitgestellt. Die Auszahlung der Gelder im eleganten Versammlungssaal im obersten Stockwerk wurde als kleine Feierstunde gestaltet. Nach einer Ansprache durch Father Jacob brachten viele der Frauen ihre Dankbarkeit für die Unterstützung durch die Paten aus Deutschland und Österreich zum Ausdruck. Sie baten Dr. Edris und mich ihren großen Dank an unsere Sponsoren weiterzugeben. Gegen Ende hatte wir beide die Gelegenheit, mit einigen MIF-Empfängern zu sprechen. Einem Mann war es wichtig mir zu erklären, dass er als Freund das Geld für einen querschnittsgelähmten Mann abholte, den ich am Abend vorher besucht hatte. Eine junge Physiotherapeutin fragte mich nach den Anstellungsmöglichkeiten in Deutschland. Durch die eben geschilderte Gestaltung wurde diese Veranstaltung keine „Almosenverteilung“, sondern zur Feierstunde einer solidarischen Familie.

Die Besuche bei den einzelnen Familien liefen immer nach einem ähnlichen Schema ab – und waren doch immer grundverschieden. Unser bewundernswert ruhiger Fahrer Akhil brachte unser kleines Team vor Ort, wo stets eine der tüchtigen Field Officers (alles Frauen) auf uns wartete und uns zu den oft versteckt gelegenen Hütten und Häusern begleitete. Einmal durchwanderten wir auf engen Dämmen ein sehr großes Reisfeld, wo zwei Familien auf kleinen Inseln wohnten. Dort angekommen wurden wir meist mit Blumen empfangen, da unser Besuch vorbereitet war. Dazu wurde fast immer ein Getränk gereicht und Knabbereien angeboten. Im Gegenzug übergab ich am Schluss jeder Familie ein kleines Geldgeschenk. Oft waren die Kinder auch von der Schule zuhause geblieben. So konnten wir meist mit vielen Familienangehörigen sprechen. Ich stellte mich vor und erklärte – natürlich immer über meine Dolmetscherin Animary – weshalb ich diesen Besuch machte: Ich wolle mich von ihrer derzeitigen Situation ein Bild machen, da ja die Informationen und Fotos auf dem Profilblatt meist schon Jahre alt seien. Zudem sei es mir wichtig, durch den Besuch zu zeigen, dass sie für uns nicht nur eine Nummer in unseren Projektlisten seien, sondern Menschen, die Respekt verdienten. Aus dem Team von Samhathi wurde mir später berichtet, dass einige der so angesprochenen sehr frei über ihr Leben und Nöte berichteten und dabei Dinge zur Sprache kamen, die ihnen gegenüber noch nie erwähnt worden waren. Ich kann nicht auf alle Aspekte eingehen, aber es ging sehr häufig um Geldnot, Krankheiten, teure Medikamente sowie um Väter bzw. Mütter, die ihre Familie verlassen hatten oder gestorben waren. Positiv war für mich, dass diese Probleme eher sachlich geschildert wurden und kaum jemand sie jammernd oder klagend darstellte. Ganz im Gegenteil. Mich beeindruckte der unermüdliche Einsatz besonders der Mütter und Großmütter, die, neben ihrer Arbeit in der Familie, mit schlecht bezahlter Arbeit z. B. in Haushalten Geld vor allem für ihre Kinder erwirtschaften. Ganz positiv fiel mir auf, dass durch verschiedene karitative Programme neue, kleine Häuser für Arme erstellt werden. Ein paar Familien zeigten mir sogar die Blechhütte, in der ich sie vor 10 oder 8 Jahren besucht hatte. Mir wurde die Fisherman’s Charity und das Programm „Life“ genannt sowie ein staatliches Hilfsprogramm. Letzteres stellt jedoch nur den reinen Rohbau hin. Fenster, Türen, Böden, Strom- und Wasserinstallation müssen selber finanziert werden. Diese etwa 6000 Euro besitzt jedoch niemand. Sie müssten bei Banken oder Kredithaien aufgenommen werden. Rückzahlung und hohe Zinsen sind für fast alle Familien, die meist vom Fischfang leben, nicht leistbar. Beeindruckt hat mich, dass viele der Kinder und Jugendlichen gute bis sehr gute Leistungen in der Schule vorweisen können. Immer wieder wurden uns schulische Auszeichnungen gezeigt. Auch von Stipendien und der Aussicht auf staatliche Stellen wurde berichtet. Die Berufswünsche der Kinder reichten von Ärztin, Lehrer, Schreiner bis zu Profifußballer und Model. Ich verließ fast alle der besuchten Häuser mit dem Eindruck, dass diese Familien das Beste aus ihrer Situation zu machen versuchen. Wie ein leicht körperbehinderter Fischer sagte: „We are a happy family.“

Palliative Care

Mit dem Palliative Care Projekt werden im Zielgebiet von Samhathi ca. 2.000 (? Hunderte ,300?) schwerstkranke Patienten, die von ihren Familien versorgt werden und sonst keine ärztliche Betreuung erhalten, betreut und mit Medikamenten versorgt.

Dr. Edris, wie er in Indien genannt wurde, begleitete das Team der beiden Krankenschwestern Regina und Shilah an vier Tagen bei ihren Krankenbesuchen. Bei den bis zu 11 Visiten täglich erlebte er, wie strukturiert und professionell das Team arbeitete. Neben der allgemeinen Untersuchung jedes Patienten, der Ausgabe von kostenlosen Medikamenten, dem Legen von Kanülen und Kathetern wurden immer zielgerichtet mit den Familienangehörigen gesprochen. Bei besonders armen Familien wurden Lebensmittelpakete, die aus Österreich und Deutschland finanziert werden, abgegeben. Neben diesen Tätigkeiten der Versorgung kam auch ein persönliches, aufmunterndes und mitfühlendes Wort nicht zu kurz.